Mittwoch, 30. März 2011

Douglas Coupland
Marshall McLuhan

Tropen
18,95 €


Wie konnte es soweit kommen und wer versteht eigentlich noch um was es geht? Welche Sprache sprechen wir, wer versteht uns und wo ist der Sinn? Wer ist Täter, wer ist Opfer? Was können wir glauben, welche Meinung vertreten?
Einer kann helfen, eine Stimme aus der Vergangenheit: Marshall McLuhan.
Douglas Coupland, selbst ein Meister des Visionären, zeichnet das leben dieses "Kommunikations-Gurus" nach; pointiert, witzig, erstaunlich.


"Das nächste Medium, was immer es ist - vielleicht eine Ausweitung unseres Bewusstseins - , wird das Fernsehen als Inhalt mit einbeziehen, nicht als dessen bloßes Umfeld, und es in eine Kunstform verwandeln. Der Computer als Forschungs- und Kommunikationsinstrument könnte die Recherche von Informationen steigern, die Zentralbibliotheken in ihrer bestehenden Form überflüssig machen, die enzyklopädische Funktion des Individuums wiederherstellen und einen privaten Anschluss umkehren, über den individuell zugeschnittene Informationen sofort und für Geld abgerufen werden können.
                                                                                                                                                M.M.
                                                                                                                                                1962"
Und weil es so sehr passt: Woody Allen "Der Stadtneurotiker":

http://www.youtube.com/watch?v=8FRtioXLsGg

Mittwoch, 23. Februar 2011

Fritz J. Raddatz
Tagebücher 1982 - 2001


Rowohlt
34,95€



20 Jahre Taumel und Tirade zwischen selbstverliebtem Eigenlob und Kritikunfähigkeit. Frank Schirrmacher konstatiert bei Durchsicht des Tagebucharchivs: "Dies ist er endlich, der grosse Gesellschaftsroman der Bundesrepublik." Wahrlich, das ist er nicht. Raddatz schreibt keinen Roman, er schreibt sich den Frust von der Seele, über die Engstirnigkeit, den Egoismus, die Lieblosigkeit, die Überheblichkeit des bundesdeutschen Feuilletonpersonals der Nachkriegsbundesrepublik und darüber eigentlich stets verkannt und geschnitten, gar geächtet worden zu sein. Keiner bleibt verschont - doch: einer, er selbst. Seine Meisterschaft wird verkannt, er darbt, körperlich, finanziell und wenn alle Hilfe fordern, helfen will ihm niemand. Diese Tagebücher erzählen nichts über Grass, Dönhoff, Augstein u.a., aber alles über Raddatz. So ist er, so kennt man ihn. Eine Leseempfehlung? Unbedingt! So treffend ( nie die Sache - immer die Person), so humorvoll, so ehrlich, so Raddatz.
Roger Willemsen
Die Enden der Welt

Fischer
22,95€

Welche Enden bietet der Erdball? Genügend um darüber zu erzählen findet Roger Willemsen und versammelt in "Die Enden der Welt" seine Berichte aus 30 Jahren Reisen an diese entlegenen Stellen des Lebens. Es sind überraschende, einfühlsame, genaue Beobachtungen einer Welt, in der die Grenzen nicht immer geographischer Natur sind, sondern in der wir uns häufig genug auch Grenzen gegenübersehen, die wir in unseren Köpfen gebaut haben. Willemsen reißt sie ein und eröffnet einen Blick auf Landschaften voller Absurdität, Verzweiflung, Liebe, Hingabe, Angst und Langeweile. Und: es geht nie um Entfernung, es geht um Kommunikation lehren uns seine Berichte.
Thomas Glavinic
Lisa

Hanser

17,90€


Eine abgelegene Berghütte ist der Fluchtpunkt für den Mann, der diese Geschichte erzählt. Hierher hat er sich mit seinem Sohn verkrochen um abzuwarten. Der Mann versteckt sich vor einem Phantom, einer Frau, die niemand kennt, jedenfalls weiss niemand wie sie aussieht. Bekannt ist ihre DNA, zurückgelassen überall auf der Welt an Tatorten. Die Frau, Lisa, ist eine Mörderin, der Mann ihr vermeintlich nächstes Opfer.
Alkohol, Kokain und die Liebe zu seinem Sohn, das hält ihn am Leben in der Abgeschiedenheit. Und über Internetradio lässt er eine unbekannte Welt teilhaben an diesem Leben, seinen wirren Gedanken, seiner Angst, seiner Verzweiflung, seiner Abhängigkeit.
Thomas Glavinic lässt uns in "Lisa" Zuhörer sein. Alles was wir erfahren, erfahren wir durch den Mann, es ist ungefiltert und verwirrend: Mord, Grauen, Drogen, die Banalität des Alltäglichen und am Ende eine metaphysische Wende, die keine Lösung sein kann. In diesen Strudel muss man geraten wenn man dieses Buch liest und man sollte ihn aushalten können, denn es ist ätzend, ekelig, dabei voller Witz und Zeitgeist, ein gutes Buch wie ein schlechter Traum.
Arno Geiger
 Der alte König in seinem Exil


Hanser

17,90€


"Für den Vater ist seine Alzheimererkrankung bestimmt kein Gewinn, aber für seine Kinder und Enkel ist noch manches Lehrstück dabei."

Die Erkrankung des Vaters setzt in der Beziehung zum Sohn alles wieder auf Anfang. Sie bietet auf überraschende Weise, in der Melancholie des Abschiednehmens, die Möglichkeit noch einmal ganz von vorne zu beginnen.
Während der Vater vergisst weil er vergessen muss, vergisst der Sohn weil er vergessenn kann.
Mit bewundernswerter Offenheit und  poetischer, zärtlicher Klarheit beschreibt Arno Geiger, wie er, die Familie und eben der Vater, dieser alte König, den Weg ins Exil der Demenz erleben.
Geiger macht sich auf in die Welt seines Vaters, um zu verstehen, was Vergessen heisst und um neu zu lernen, wie sich Leben definiert.
Und auch wenn es hier um das Persönlichste geht, und auch wenn das Empfinden jedes Einzelnen die Wahrheit ist: es beschreiben zu können, mit diesen Worten, voller Liebe, Anerkennung, Strenge, Verständnis, voller Fragen und Antworten, mit Leben und nicht ohne Humor, darin besteht die Kunst, das kann Arno Geiger.

Freitag, 30. April 2010

Max Frisch
Entwürfe zu einem dritten Tagebuch

Suhrkamp

17,80€


"Hätte ich übrigens nicht das Recht, das eine oder andere aus den schicken Rollschubladen zu nehmen und zu vernichten? Das Recht habe ich, aber nicht das Bedürfnis", schreibt Max Frisch über sein eigenes Archiv, zu Lebzeiten von ihm eingerichtet um ein geordnetes Zeugnis für die Nachwelt zu sein. Er schreibt dies in diesem Entwurf für ein drittes Tagebuch, begonnen 1982 in New York, geplant, durchdacht, Kunst wie beide zuvor, nur: nie veröffentlicht. Und auch wenn die Frage, ob es denn in seinem fragmentarischen Zustand überhaupt an die Öffentlichkeit sollte, zurecht gestellt sein mag: beantworten könnte sie nur Max Frisch. Und jetzt, da wir es lesen können, muss die Freude die Sorge etwas eigentlich verbranntes zu lesen überwiegen. Es sind zornige Blicke auf die Reagan-Regierung, es sind verwunderte Blicke auf die eigenen Gebrechen, sehnende und verwirrte auf die eigene Liebe und unfassbar schöne, emotionale, rührende Blicke auf die Freunde der Vergangenheit, auf das Sterben und die Erinnerung. Allein schon für diese wunderbaren Miniaturen lohnt es sich, dieses Tagebuch lesen zu dürfen. Dann schwingt Dankbarkeit mit für die Klarheit und Wahrheit einer inszenierten Sprache, vielleicht auch gerade derentwegen...
Alain de Botton
Airport

S.Fischer
16,95€



Chronist zu sein, Stadtschreiber vielleicht: eine Tradition im deutschen Literaturbetrieb seit einigen Jahrzehnten, verbunden mit einem gewissen Maß an Beschaulichkeit, Lokalpatriotismus, Feuilleton. Flughafenschreiber dagegen: da wäre wohl auch als Schnittstelle zwischen Literatur und technisiertem Utopia nur der Frankfurter Flughafen in Betracht gekommen....
Nun, es ist zu spät: Alain de Botton wurde als "writer in residence" eingeladen, eine Woche Gast und Chronist im neuen Terminal 5 des Flughafen London Heathrow zu sein. Und was klingt wie der Beginn einer Werbekampagne für British Airways erweist sich in Wahrheit als großes Glück für den Leser. De Botton ist ein ebenso genauer wie weitblickender, kritischer wie emotionaler Betrachter des Kosmos Flughafen. Es ist nicht nur die Technik, das unbegreifliche Wunder Fliegen, die schiere Größe, die Masse die zählt - es sind auch und vor allem Menschen; mit all ihren Emotionen von Trauer bis Wut, von Freude bis Schmerz, von Enthusiasmus bis Erschöpfung. Ein fein gezeichnetes Bild unserer Gesellschaft. So einen Stadtschreiber bräuchte das deutsche Feuilleton einmal: über den Wolken und trotzdem ganz nah bei den Menschen...